Soll ich die guten Leistungen meines Kindes belohnen?
- Ruth Auf der Maur-Kirchhofer
- 14. Feb.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Feb.

Es ist lohnenswert, sich über diese Frage mal Gedanken zu machen. Sie lässt sich nämlich nicht einfach mit einem Ja oder Nein beantworten. Um darauf eine schlüssige Antwort zu finden, sollte man sich zuerst Gedanken über weitere Fragen machen:
Wie definiere ich eine gute Leistung?
Was bewirke ich, wenn ich eine gute Leistung belohne?
Was, wenn ich sie nicht belohne?
Welche Form von Belohnungen gibt es?
Welche Belohnung entspricht dem Wesen und dem Alter meines Kindes?
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Ich lade Sie ein, mit mir gedanklich diesen Fragen nachzugehen, um in Zukunft bewusster zu belohnen oder Belohnungen zu enthalten.
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Es gibt zwei Arten von Belohnungen
Bei der materiellen Belohnung beschenken Sie Ihr Kind mit konkreten Sachen wie Spielzeug, Geld oder Süssigkeiten. Für kleinere Kinder sind Spielwaren und Süssigkeiten sehr verlockend. Teenager hingegen bevorzugen oft Geld, um ihre Wünsche selber erfüllen zu können.
Die immaterielle Belohnung kommt ohne das Portemonnaie aus. Unter immaterieller Belohnung versteht man Lob, Anerkennung, gemeinsame Freizeit, zusätzlicher Freiraum oder Zuneigung. Wichtig ist, dass die immaterielle Belohnung aufrichtig und von ganzem Herzen kommt, um wirksam zu sein.
Als Eltern sollten Sie die Belohnung grundsätzlich entsprechend des Entwicklungsstandes und den Interessen Ihres Kindes oder Ihres Teenagers wählen. Bei kleineren Kindern ist es zudem wichtig, dass die Belohnung sofort erfolgt, damit sie die Verbindung zwischen Leistung/Verhalten und Belohnung machen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Umarmung, ein gemeinsames Spiel, ein Schoggistängeli oder einen Sticker auf der Punktetabelle handelt. Jugendliche hingegen haben ein anderes Zeitverständnis und so kann die Belohnung auch erst längerfristig erfolgen. Ziele werden in diesem Altersabschnitt oftmals auch längerfristig gesteckt. Der Erhalt einer Belohnung beim Erreichen des Ziels wirkt motivierend. Auch unmittelbare Belohnungen wie ein Schulterklopfen oder ein ‘Ich bin stolz auf dich‘ kommen bei Jugendlichen gut an.
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Was bewirkt eine Belohnung?
Das Belohnen kann viel Positives bewirken, aber auch mögliche Risiken beinhalten. Und so ist es wichtig, die Wirkung von Belohnung aus verschiedenen Perspektiven etwas genauer zu beleuchten.
 A) Positive Aspekte von Belohnungen
·      Positive Verstärkung und Verhaltensänderung
·      Förderung von Engagement und Leistung
·      Motivation und Anreiz
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Wenn Sie wünschenswertes und positives Verhalten sowie erfolgreiche Leistungen und erreichte Ziele belohnen, verstärken Sie diese Verhaltensweisen und das Streben nach Erfolg. Das kann dazu beitragen, dass Ihr Kind sich weiterhin so verhält, denn Ihre Belohnungen wirken motivierend. Wer bekommt schon nicht gerne eine Belohnung, egal in welcher Form auch immer!? Bei kleineren Kindern ist es wichtig, dass Ihre Belohnung schnell erfolgt, damit Ihr Kind eindeutig weiss, auf welche Verhaltensweise die Belohnung erfolgt, was Sie als wünschenswert anschauen.
Hier spricht man von einer extrinsischen Motivation.
'Extrinsische Motivation ist die Antriebskraft, die Menschen dazu bringt, eine Tätigkeit auszuführen, um eine äußere Belohnung zu erhalten oder eine Strafe zu vermeiden. Kurz gesagt, man tut etwas, weil man dafür belohnt wird oder negative Konsequenzen vermeiden möchte.'
Dem gegenüber steht die intrinsische Motivation.
'Intrinsische Motivation ist die innere Antriebskraft, die Menschen dazu bringt, eine Tätigkeit aus eigenem Interesse und Freude an der Sache selbst auszuführen, ohne äußere Belohnungen oder Druck von außen. Kurz gesagt, man tut etwas, weil man es selbst möchte und nicht, weil man dazu gezwungen oder beeinflusst wird.'
Ihr Kind, Ihr Teenager belohnt sich selbst für Erreichtes. Diese Form der Motivation kommt von innen heraus und basiert auf dem eigenen Interesse oder der Freude an einer Aufgabe oder Zielerreichung. Kinder und Teenager, die intrinsisch motiviert sind, lernen oder handeln aus eigenem Antrieb und sind oft langfristig erfolgreicher. Die Stärkung der intrinsischen Motivation ist also entscheidend, um langfristiges Engagement und Freude an der Tätigkeit bei Ihrem Kind zu fördern.
Mit angemessener Belohnung  können Sie auch das Selbstwertgefühl Ihres Kindes stärken. Dabei ist es wichtig, dass Sie nicht nur das erreichte Ziel oder die guten Noten honorieren, sondern auch die einzelnen Schritte, das Durchhalten, die Fortschritte und die positiven Verhaltensweisen. Sie würdigen somit die Anstrengungen und Bemühungen. Dadurch lernen Kinder und Teenager, dass Engagement und Durchhaltevermögen ebenso wichtig sind wie das Endergebnis. Sie lernen ebenso Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu übernehmen und die Bedeutung von Konsequenzen zu verstehen.
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B) Potenzielle Risiken und negative Effekte
·      Leistung nur noch für Belohnung
·      Verminderung der Eigeninitiative
·      Druck und Stress
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Wenn extrinsische Motivation jedoch zu häufig und unüberlegt eingesetzt wird, können Kinder und Teenager abhängig von äußeren Anreizen werden und ihre eigene, intrinsische Motivation verlieren. Sie leisten dann nur noch, wenn eine Belohnung in Aussicht steht, nicht  aus innerer Überzeugung oder weil sie ein echtes Interesse an etwas haben. Ihr Kind / Ihr Teenager zeigt dadurch verminderte Eigeninitiative und ist weniger bereit, sich Herausforderungen im Leben zu stellen.
Sie als Eltern sind somit auch manipulierbar, haben unbeabsichtigt die Kontrolle in die Hand Ihres Kindes gegeben. Der Deal lautet dann nämlich so: ‘Mama oder Papa, gib mir, was ich will, sonst mache ich nicht, was du verlangst!‘ Â
Irgendwann fällt die elterliche, extrinsische Motivation ganz weg. Ihre Kinder werden erwachsen, sind in einer Berufsausbildung oder sogar schon erwerbstätig. Da wird Leistung verlangt, ohne dass man belohnt wird. Das könnte zu einer Herausforderung für alle Beteiligten werden, wenn man nicht rechtzeitig gelernt hat, sich selber auch intrinsisch zu motivieren.
Erwachsene meinen es mit dem Belohnen grundsätzlich gut, haben sich aber unter Umständen nicht Gedanken darüber gemacht, dass Sie gerade mit dem Belohnen von guten Noten und Leistung auch Druck und Stress auf ihre Kinder ausüben könnten. Nicht jedes Kind ist im Verlauf seiner Ausbildungszeit immer gleich konstant mit seinen Leistungen. Was nun, wenn bei Ihrem Kind plötzlich die Leistungen aus irgendeinem Grund einbrechen? Die Noten schlechter werden, weil die Anforderungen steigen? Sinkende Noten aushalten zu müssen, ist für Ihr Kind bestimmt nicht einfach, es ist selber von sich enttäuscht. Diese Noten Ihnen zu zeigen wird vielleicht zusätzlich nicht ganz einfach sein. Zur eigenen Frustration kommt nun auch noch die ‘Strafe‘ hinzu, dass die elterliche Belohnung wegfällt. Ihr Kind steht somit doppelt unter Druck. Druck und Stress waren aber noch nie förderlich bei Lernprozessen, schon gar nicht bei Prüfungssituationen.
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So können Sie als Eltern die intrinsische Motivation Ihres Kindes fördern:
Autonomie fördern
Geben Sie Ihrem Kind mehr Kontrolle über seine Aufgaben und Entscheidungen. Selbstständigkeit und das Gefühl, eigene Entscheidungen treffen zu können, steigern die intrinsische Motivation.
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Bedeutsame Ziele setzen
Helfen Sie Ihrem Kind,  persönliche und bedeutsame Ziele zu definieren. Wenn Ihr Sohn/ Ihre Tochter den Sinn und Zweck seiner/ihrer Tätigkeit versteht, ist er/ sie eher intrinsisch motiviert.
Kompetenzen entwickeln
Ermutigen Sie Ihr Kind zum Lernen und zur Weiterentwicklung von Fähigkeiten. Wenn Ihr Kind spürt,  dass es Fortschritte macht und seine Kompetenzen ausbauen kann, steigert das seine intrinsische Motivation.
Positives Feedback geben
Geben Sie Ihrem Kind regelmäßig konstruktive und positive Feedbacks, dies auch für Teilerfolge. Anerkennung und Wertschätzung stärken das Selbstwertgefühl und die Motivation, weiterzumachen.
Neugier wecken
Regen Sie Ihr Kind zum Entdecken und Experimentieren an. Neugier und Interesse sind starke Triebkräfte der intrinsischen Motivation.
Flow-Erlebnisse
Leben Sie ihrem Kind/ Teenager vor, wie sie in einem Flow-Erlebnis aufgehen, das auf intrinsischer Motivation basiert. Das bedeutet, dass Sie sich vollumfänglich einer Tätigkeit oder einem Hobby widmen, welche/s Sie glücklich macht, Sie die Zeit vergessen lässt und  bei welchem Sie Kraft und Positivität tanken. Vorbilder haben eine wichtige und starke Funktion. Vielleicht inspiriert dies Ihren Nachwuchs zur Nachahmung.
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Was sagt die aktuelle Forschung zum Thema BelohnungÂ
Die Forschung zu Belohnungen und Auswirkungen auf das Verhalten bei Kindern und Teenagern zeigt vielfältige Ergebnisse. Hier ein paar der Ergebnisse:
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Belohnungssysteme positive Auswirkungen auf die Motivation von Kindern und Teenagern haben können. Eine Studie von Deci, Koestner und Ryan (1999) ergab, dass extrinsische Belohnungen die intrinsische Motivation untergraben können, wenn sie nicht richtig eingesetzt werden.
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Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die Studie von Cameron und Pierce (1994), die auch die Auswirkungen von Belohnungen auf die schulische Leistung untersuchte. Die Ergebnisse zeigten ebenfalls, dass Belohnungen die Leistung verbessern können, wenn sie richtig eingesetzt werden, aber auch zu einer Verringerung der intrinsischen Motivation führen können, wenn sie übermäßig verwendet werden.
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Eine Langzeitstudie von Mischel et al. (2011) untersuchte die Auswirkungen von verzögerten Belohnungen auf die Selbstkontrolle und den späteren Erfolg im Leben. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder, die in der Lage waren, auf eine sofortige Belohnung zu verzichten, um eine größere Belohnung zu erhalten, tendenziell bessere Ergebnisse in Schule und Beruf erzielten. Einer der bekanntesten Studien zur Selbstkontrolle und Belohnung ist das Marshmallow-Experiment von Walter Mischel aus den 1970er Jahren. In diesem Experiment wurden Kinder vor die Wahl gestellt, entweder eine sofortige Belohnung (ein Marshmallow) zu nehmen oder zu warten und eine größere Belohnung (zwei Marshmallows) zu erhalten. Die Studie zeigte, dass Kinder, die warten konnten, später im Leben erfolgreicher und selbstkontrollierter waren.
Eine Studie von Carol Dweck (2006) untersuchte die Auswirkungen von Lob auf die Motivation und das Selbstbild von Kindern. Die Ergebnisse zeigten, dass Lob, das auf Anstrengung und Strategie abzielt, effektiver ist als Lob, das auf Fähigkeiten fokussiert. Kinder, die für ihre Anstrengungen gelobt wurden, entwickelten eine „Wachstumsmentalität“ und waren eher bereit, Herausforderungen anzunehmen.
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Meine Empfehlungen zum Thema Belohnung
Setzen Sie Belohnungen sorgfältig und bedacht ein, um kurzfristig aber auch längerfristig positive Effekte zu erzielen.
Belohnen Sie nicht zu häufig und nicht für jede Kleinigkeit, um eine Abhängigkeit zu vermeiden.
Die Belohnung sollte im Verhältnis zum Verhalten/ Geleisteten stehen. Größere Belohnungen sollten für wichtigere oder schwierigere Aufgaben reserviert sein.
Eine gute Mischung aus materiellen und immateriellen Belohnungen kann helfen, eine Balance zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation zu finden.
Verwenden Sie verschiedene Arten von Belohnungen, um die Motivation aufrechtzuerhalten und unterschiedliche Aspekte der Entwicklung zu fördern.
Kommunizieren Sie klar, wofür Sie eine Belohnung vergeben, damit Ihr Kind/ Ihr Teenager den Zusammenhang zwischen seinem Verhalten und der Belohnung nachvollziehen kann.
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Finden Sie eine Balance zwischen angekündigten Belohnungen und gelegentlichen Überraschungen. Angekündigte Belohnungen schaffen Vorhersehbarkeit und Motivation im Voraus, während Überraschungsbelohnungen die Berechenbarkeit der extrinsischen Motivation umgehen.
Vielleicht mögen Sie Ihrem Kind  die Möglichkeit geben, zwischen verschiedenen Belohnungen zu wählen. Dies kann die Motivation zusätzlich erhöhen,
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Ich persönlich plädiere für eine massvolle Belohnung von guten Leistungen, Teilerfolgen und Anstrengungen.  Die Belohnung soll weniger im Schenken von Materiellem liegen, sondern mehr aus ehrlicher Anerkennung und aufrichtigem Lob bestehen.  Warum nicht einfach … ‘Wow, das hast du toll gemacht!‘ … ‘Ich bin stolz auf dich! Bist du auch stolz auf dich? Wie hast du das gemacht?‘ ...  ‘Komm, lass uns das gemeinsam feiern? Wollen wir zusammen ein Stück Kuchen essen, dein Lieblingsspiel spielen oder gemeinsam einen Film anschauen?' Und vielleicht gibt es auch einfach eine herzhafte Umarmung, ein anerkennendes Wort oder ein herzliches Schulterklopfen. Denn ehrliches Interesse für Ihr Kind und sein Tun zu zeigen ist so viel nachhaltiger und wertvoller als der schnelle Griff zum Portemonnaie.
Regen Sie Ihr Kind aber auch zur Selbstreflexion an mit Fragen wie: 'Was denkst du selbst über deine Leistung?' oder 'Wie fühlst du dich jetzt nach diesem Erfolg?' oder ‘Was hast du dafür getan?‘  Die Selbstreflexion hilft nämlich Ihrem Kind, das Bewusstsein für die eigenen Stärken und Schwächen zu schärfen und Selbstwirksamkeit zu erfahren.
Ich habe in diesem Blog den Fokus auf das Belohnen von guten Leistungen gelegt. Gerade so wichtig dünkt mich aber, dass Sie Ihrem Kind auch einen guten Umgang mit Rückschlägen und Misserfolg mit auf den Weg geben. Man kann nicht immer auf einer Erfolgswelle reiten, Resilienz ist deswegen von grosser Bedeutsamkeit. Darüber werde ich in einem späteren Blog schreiben. Ich freue mich, wenn ich Sie auch dazu wieder als Leser/In begrüssen darf und Sie meinen Blog zuunterst mit dem Herzchen liken, falls er Ihnen gefallen hat. ... und zögern Sie nicht, mich zu kontaktieren, wenn Sie meine Unterstützung im Bereich Belohnung und Resilienz brauchen.
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Herzlich, Ihre Ruth Auf der Maur-Kirchhofer
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